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Tröpfchenmodell

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Manfred Schönborn

Kernphysik, Kernmodell, das auf der Analogie zwischen den Eigenschaften von Kernen und Flüssigkeitstropfen (Tropfen) basiert. Es entstand Anfang der 30er Jahre, nachdem Heisenberg den Aufbau der Kerne aus Protonen und Neutronen postuliert hatte, und ermöglicht Einsicht über den Verlauf der Bindungsenergien und der Kernmassen (siehe Abb.). Weitergehende Kerneigenschaften kann es jedoch nicht erklären.

Das Modell stützt sich auf die, verglichen mit der Bindung der Elektronen im Atom, extrem grosse Bindungsenergie der Kerne, aus der der Schluss einer äusserst intensiven Wechselwirkung der Nukleonen und einer daraus resultierenden flüssigkeitsähnlichen Struktur gezogen wurde. Auch die Abhängigkeit der Kernradien R von der Massenzahl A entsprechend R ~ A1/3, wonach also das Kernvolumen proportional zur Nukleonenzahl ist, entspricht dem Verhalten eines Flüssigkeitstropfen. Schliesslich ist die gute Wiedergabe des Verlaufs der Bindungsenergien als Funktion von A und Z durch die Bethe-Weizsäcker-Formel unter Benutzung des Tröpchenmodells aufgestellt worden. Die verschiedenen Terme dieser Formel zeigen Tröpfchenanalogien wie z.B. die Proportionalität zwischen Kernvolumen und Teilchenzahl oder die Bindungslockerung durch Oberflächeneffekte. Darüber hinausgehende Versuche, auch dynamische Aspekte des Tröpfchenmodells zu berücksichtigen, etwa die angeregten Zustände von Kernen als quantisierte Tröpfchenschwingungen zu deuten, haben nur wenig Erfolg gehabt.

Das Tröpfchenmodell erfasst äusserst wesentliche und keineswegs selbstverständliche Aspekte der Kernstruktur, nämlich die mit dem Begriff der Sättigung gekennzeichnete Proportionalität von Kernvolumen und von den Kernkräften herrührendem Energieanteil zur Nukleonenzahl bei Vernachlässigung von Oberflächeneffekten. Diese Proportionalität ist eine Folge der bei wachsender Nukleonenzahl konstant bleibenden Teilchendichte und der kurzen Reichweite der Kernkräfte. Die Sättigung gestattet die Konstruktion ausgedehnter Kernmaterie, d.h. ein Medium aus sehr vielen Nukleonen mit reiner Kernkraftwechselwirkung.

Die tatsächlich jedoch vorhandene Coulomb-Barriere der Protonen ist die einzige Ursache für die Instabilität schwerer Kerne. Eine besondere Anwendung fand das Tröpfchenmodell bei der Aufklärung der energetischen Verhältnisse der Kernspaltung. Eine Erweiterung des Tröpfchenmodells unter Berücksichtigung der Schalenstruktur gelang V.M. Strutinskij. In dieser Näherung wird die Kernruheenergie mit Hilfe der Bethe-Weizsäcker-Formel berechnet und die Schalenkorrektur als Folge der Krümmung der Kernoberfläche bestimmt. Aus dieser Betrachtungsweise wird ersichtlich, warum bei bestimmten Nukleonenzahlen statische Deformationen der Kerne zu stabilen Kernformen führen.

Tröpfchenmodell

Tröpfchenmodell: Bindungsenergie EB pro Nukleon (N + Z) in Abhängigkeit von der Massenzahl M. Die ausgezogene Kurve stellt den nach dem Tröpfenmodell berechneten Verlauf dar, die Punkte geben die aus dem Kernmassendefekt bestimmten Werte an.

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