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ultrakalte Stossprozesse

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Autor:
Hermann Loring

Atom- und Molekülphysik, ultracold collisions, Teilgebiet der modernen Atomphysik mit lasergekühlten Atomen (Atom- und Ionenfallen, Laserkühlung, optische Melasse). Hierbei werden Stossprozesse zwischen den Atomen der lasergekühlten Probe untersucht. Da die erreichbaren Temperaturen im mK-Bereich und niedriger liegen, wird damit ein Bereich der Stossenergie erfasst, der mit herkömmlichen Methoden der Stossphysik nicht zugänglich ist. Betrachtet man den Stossprozess in der quantenmechanischen Partialwellenzerlegung (Streutheorie), so sind bei der Analyse nur die niedrigsten Partialwellen relevant, in vielen Fällen ist es hinreichend, reine s-Wellen-Streuung anzunehmen. Da die Experimente meist in magnetooptischen Atomfallen oder optischen Melassen durchgeführt werden, wo Atome im Grundzustand mit angeregten Atomen koexistieren, werden die Stossprozesse in der Regel in drei Kategorien unterteilt:

Stösse zwischen Atomen im Grundzustand

Bei den meist verwendeten Alkali-Atomen handelt es sich hierbei um nS1/2-Zustände, wobei n die Hauptquantenzahl ist. In diesem Fall ist die Wechselwirkung die Van-der-Waals-Wechselwirkung zwischen induzierten Dipolmomenten. Das interatomare Potential U(R) hat dann die Form U(R) = -C6 / R6, wobei C6 eine Konstante und R der interatomare Abstand der Stosspartner ist. Dieser ist als der Abstand der Kerne definiert. Man unterscheidet wiederum zwischen inelastischen Stössen, die die Summe der kinetischen Energie der Stosspartner ändern, und elastischen Stössen, die selbige konstant lassen. Berücksichtigt man die Hyperfeinstruktur der Alkali-Atome, so stellt man fest, dass der Grundzustand nS1/2 zweifach aufgespalten ist. Ein Stoss ist dann inelastisch, wenn er den Hyperfeinstrukturzustand eines der Stosspartner ändert, wobei Energie im Bereich einiger GHz frei wird. Dies kann dazu führen, dass eines der Atome nicht mehr vom Potential der Falle gehalten wird, es kommt also zu Fallenverlusten. Wird der Hyperfeinstrukturzustand nicht geändert, so ist der Stoss elastisch. Diese Art der Stösse spielt eine entscheidende Rolle bei der Verdampfungskühlung von Alkali-Atomen, wo die heissesten Atome einer Probe entfernt werden und die verbliebenen durch Stösse rethermalisieren und dadurch eine niedrigere Temperatur annehmen.

Stösse mit einem angeregten Atom

Ist ein Atom in einem angeregten Zustand, was für Alkali-Atome einen Stoss zwischen einem nS1/2 und einem nP-Atom bedeutet, so ist die Wechselwirkung durch das Potential U(R) = -C3 / R3 bestimmt, was eine Dipol-Dipol-Wechselwirkung beschreibt. Die Wechselwirkung in diesem Fall ist bei grossen Kernabständen stärker als bei Stössen zwischen Atomen im Grundzustand. Wird ein Stosspartner bei grossem interatomaren Abstand angeregt, so werden die Stosspartner innerhalb der Lebensdauer des angeregten Zustands aufeinander zu beschleunigt. Findet die Reemission bei kleinerem Kernabstand statt, so haben die Stosspartner kinetische Energie gewonnen. Auch dieser Prozess kann den Verlust der Atome für die Falle bedeuten. Man spricht auch von radiative escape oder radiative redistribution. Der angeregte P-Zustand in Alkali-Atomen ist ebenfalls aufgespalten, in die Feinstrukturzustände (Feinstruktur) nP1/2 und nP3/2. nP1/2 spaltet seinerseits in zwei, nP3/2 in vier Hyperfeinstrukturzustände auf. In Stössen kann sowohl der Feinstruktur- als auch der Hyperfeinstrukturzustand geändert werden.

Stösse mit zwei angeregten Atomen

Im allgemeinen Fall wird die Wechselwirkung zwischen zwei Atomen im P-Zustand beschrieben durch das Potentialgesetz U(R) = -C5 / R5 der Quadrupol-Quadrupol-Wechselwirkung. Für den Spezialfall des Natrium-Atoms kann in einem solchen Stoss ein Molekülion gebildet werden (siehe Abb. Photoassoziation). Die Atome gehen dabei von der Potentialkurve P3/2-P3/2 auf die Potentialkurve des Na2+-Ions über.

Da viele der beschriebenen Stösse Atome aus einer Falle entfernen, werden diese Prozesse oft durch systematisches Studium der Fallenverluste untersucht. Ein sehr wichtiger Prozess ist die Photoassoziation, bei der die Stosspartner ein Molekül bilden. Dieser Prozess ist besonders wichtig, wenn ein Stosspartner bei kleinen Kernabständen angeregt wird, da das bindende interatomare Potential hier diskrete Rotation-Vibrationsniveaus zulässt. In der Photoassoziationsspektroskopie mit kalten Atomen wird in der Regel ein zusätzlicher Laser eingestrahlt, dessen Frequenz in dem Bereich verändert wird, wo Übergänge zu molekularen Zuständen stattfinden. Für Stösse zwischen Atomen des gleichen Elements liegen hierzu grosse Mengen an experimentellen und theoretischen Daten vor. In jüngster Zeit werden diese Methoden auch auf Stösse verschiedener Elemente ausgedehnt.

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