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Streuung

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Martina Wagner

OptikOberflächen- und GrenzflächenphysikKernphysik, Ablenkung eines Teiles einer gebündelten Teilchen- oder Wellenstrahlung aus seiner ursprünglichen Richtung beim Durchgang durch Materie infolge der Wechselwirkung mit einem Streuzentrum. Die diffus in alle Raumrichtungen gestreute Strahlung (Streustrahlung) bzw. die Gesamtheit der von den einzelnen Streuzentren ausgehenden Kugel- bzw. Streuwellen geht der primären Strahlung, die in ihrer Intensität geschwächt wird, verloren. Die Wechselwirkung der Strahlung mit einem einzelnen Streuzentrum wird als Einzelstreuung bezeichnet. Beim Durchgang von Strahlung durch eine dickere Materieschicht unterliegt jede Welle bzw. jedes Teilchen nacheinander vielen Einzelstreuungen, die als Mehrfach- oder Vielfachstreuung bezeichnet werden und die selbst bei nur kleinen einzelnen Winkelablenkungen zu einer beträchtlichen Streuung führen können.

Im Teilchenbild stellt sich die Streuung als Richtungsänderung eines im Strahl fliegenden Teilchens um den Streuwinkel nach der Wechselwirkung mit dem Streuzentrum dar, wobei die Einzelstreuung vieler Strahlteilchen eine gewisse Winkelverteilung der gestreuten Teilchen liefert (Wirkungsquerschnitt). Im Wellenbild dagegen ist die Einzelstreuung als eine Streuwelle bzw. eine inhomogene Kugelwelle mit in jeder Richtung bestimmter Amplitude (Streuamplitude) aufzufassen, die durch die den Strahl bildende ebene Welle beim Überstreichen des Streuzentrums von eben diesem ausgeht. In diesem Fall wird die Winkelverteilung der Streuung sichtbar durch die Intensitätsverteilung der Streuwelle in den verschiedenen Richtungen.

Wird beim Streuvorgang keine Energie (auch nicht vorübergehend) an das Streuzentrum abgegeben, spricht man von elastischer Streuung: die Summe der kinetischen Energien des gestreuten Teilchens und seines Stosspartners vor und nach dem Stoss sind unverändert, nur der Impuls ändert sich (Bsp. Rayleigh-Streuung).

Bei der inelastischen Streuung erleiden die gestreuten Wellen oder Teilchen hingegen neben einer Änderung des Impulses auch einen Energieverlust. Als streuende Medien können sowohl feste Körper als auch Flüssigkeiten oder Gase wirken. Gestreut werden Teilchen (Elektronen, Atome, Ionen) oder elektromagnetische Wellen. Inelastische Streuung findet beispielsweise an Gitterschwingungen oder an Ladungsträgern statt, sie wird in verschiedenen Spektroskopieverfahren (Spektroskopie) eingesetzt, um anhand charakteristischer Energieverluste Aussagen über die vibronische, elektronische und chemische Struktur von Festkörpern, Oberflächen oder Gasen zu treffen. Als Beispiele seien hier die Raman-Streuung und die Brillouin-Streuung von elektromagnetischen Wellen sowie die He-Atomstreuung und die Neutronenstreuung für Teilchenstrahlen genannt. Eine grosse Rolle spielen inelastische Streuprozesse auch in der Elementarteilchenphysik (Elektron-Nukleon-Streuung, Partonmodell).

Kernstreuprozesse sind in einem Energiebereich von wenigen MeV bis 100 MeV durch das langreichweitige Coulomb-Potential und bei genügender Annäherung durch die Kernkräfte bestimmt. Sie dienen zur Untersuchung von Kerneigenschaften im Grundzustand oder angeregten Zuständen mit ausschliesslich baryonischen Freiheitsgraden. Die Streuung kann durch ein Potential beschrieben werden. Im Energiebereich relativistischer Projektilenergien überwiegt direkte Nukleon-Nukleon-Streuung (Kern-Kern-Kollisionen) mit der Ausbildung kollektiver Effekte durch Vielfachstreuung unter Einschluss aller hadronischen Freiheitsgrade (relativistische Schwerionenreaktion, Zustandsgleichung von Kernmaterie).

Die Streuung am Coulomb-Potential entspricht elastischer bzw. quasielastischer Streuung bei gleichzeitiger Kern-Coulomb-Anregung überwiegend kollektiver Kernzustände. Der führende Team wird durch die Rutherfordsche Streuformel beschrieben. Elastische Streuung findet bevorzugt an der Oberfläche statt (formelastische Streuung), oder das Projektil fällt nach Eindringen in den Kern wieder in den Eingangskanal zurück (Resonanzstreuung). Inelastische Kernstreuung führt zu Einteilchen- bzw. kollektiver Kernanregung, letztere durch Veränderung der Breite des Kernpotentials. Je nach Art der Kernreaktion kommt es bei peripheren Stössen zu direkten (Strippingreaktion) und tiefinelastischen (Wilschinski-Diagramm), bei zunehmend zentralen Stössen zu Kernfusions-Prozessen. Die Kernanregung führt zur Emission von hochenergetischer elektromagnetischer Strahlung sowie Neutronen, Protonen, Alphateilchen bis hin zur Kernspaltung.

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