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Abfall, radioaktiver

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Autor:
Karl-Wilhelm Steinfieber

Abfallprodukte mit noch nicht abgeklungener Restradioaktivität, die im Brennstoffkreislauf eines Kernreaktors, als Reaktorbetriebsabfälle sowie beim Einsatz von Radionukliden in Industrie, Forschung und Medizin entstehen.

Der bedeutendste Anteil setzt sich aus den Resten von Spaltprodukten in abgebrannten Brennstäben von Kernreaktoren zusammen. Diese radioaktiven Spaltprodukte werden erst im Prozess der Wiederaufarbeitung freigesetzt und chemisch behandelt.

Daneben fallen aber durch Leckagen und Neutronenaktivierung gasförmige, flüssige und feste Reaktorbetriebsabfälle an, die soweit wie möglich zurückgehalten werden. Einige der wichtigsten gasförmigen Radionuklide, die sich in der Luft des Kraftwerksgebäudes befinden, sind die durch Leckage entwichenen Spaltprodukte 133Xe, 85Kr und 131I. 133Xe hat eine Halbwertszeit von 5,25d. Es wird in einer Verzögerungsstrecke bis zu 60d zurückgehalten, so dass die ursprüngliche Aktivität auf weniger als 0,1% abgeklungen ist. Verzögerungsstrecken bestehen z.B. aus Aktivkohlefiltern, in denen sich das radioaktive Gas zunächst anlagert, um sich dann im Laufe der Zeit langsam durch Austausch zum Abluftkamin zu bewegen. Das Spaltprodukt 85Kr hat eine Halbwertszeit von 10,76 a und geht als Edelgas keine Verbindungen ein. Da es sich im Organismus nicht anreichert und demnach nur eine geringe Radiotoxizität (strahlenbedingte Gefährlichkeit) besitzt, wird es in den genehmigten Mengen unter laufender Kontrolle in die Atmosphäre geleitet. Der grösste Teil des Kr wird bei der Wiederaufarbeitung der Brennelemente frei und durch besondere Verfahren zurückgehalten (Lagerung in Gasflaschen). Der Anteil an 131I in der Gebäudeluft ist zwar gering; da es aber zu den physiologisch bedeutsamen Elementen gehört, wird es durch mehrere hintereinander angeordnete Absolutfilter zurückgehalten. Aus Undichtigkeiten des Kühlmittelkreises ergeben sich auch flüssige Abfälle, deren radioaktive Stoffe durch Eindampfen entzogen werden.

Schliesslich gibt es noch radioaktive Abfälle in Form von Filtern, Ionenaustauschern, Putzlappen, kontaminierter Kleidung, Abfälle von Reparaturen, ausgebauten Steuerstäben u.ä., die zwecks Verkleinerung des Volumens verdichtet und in Behältern verschlossen werden. Dasselbe gilt für die oben erwähnten Abfälle aus Industrie, Forschung und Medizin.

Früher wurden Abfälle abhängig von der Aktivitätskonzentration in schwach-, mittel- und hochaktive Abfälle unterteilt, heute hingegen unterscheidet man die radioaktiven Abfälle nach ihrer Wärmeentwicklung:

(i) Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung: Die Wärmeabgabe pro Gebinde liegt im Milliwattbereich.

(ii) Gering wärmeentwickelnde Abfälle: Die Wärmeabgabe liegt im Watt-Bereich.

(iii) Stark wärmeentwickelnde Abfälle: Die Wärmeabgabe pro Gebinde liegt im Kilowatt-Bereich. Bei Endlagerung in Gesteinsschichten kann diese Art von Abfällen die Temperatur um bis zu 200 °C erhöhen.

Durch Konditionieren werden die radioaktiven Abfälle in eine endlagerungsfähige Form überführt. Bei vernachlässigbarer oder geringer Wärmeentwicklung werden Metallfässer, Bitumen oder Betonummantelung verwendet.

Stark wärmeentwickelnde Abfälle werden zu flüssigem Glas gemischt, aus dem dann Glasblöcke hergestellt werden.

Abhängig vom Aggregatzustand, der spezifischen Aktivität, der Radiotoxidität sowie der Wärmeentwicklung werden zur Konditionierung verschiedene Verfahren angewandt:

Abfälle mit vernachlässigbarer bzw. geringer Wärmeentwicklung werden zunächst in ihrem Volumen verringert und anschliessend verpackt. Aus Flüssigkeiten trennt man die radioaktiven Stoffe durch Verdampfen der nichtaktiven Flüssigkeit, Fällen, Filtern oder Ionenaustausch ab und verfestigt die dabei gewonnenen Rückstände, Konzentrate, Schlämme, Filtermittel, Ionenaustauschharze in Bitumen oder Zement, die zusätzlich von einem Stahlfass umschlossen werden. Feste radioaktive Stoffe geringer oder mittlerer Aktivität werden verascht oder zerkleinert und gepresst. Dann werden sie in Fässer oder Containern verpackt, wobei zusätzlich eine Fixierung an Beton oder Bitumen vorgenommen wird. Hochaktiver Abfälle mit starker Wärmeentwicklung fallen in Form wässriger Lösungen in Wiederaufarbeitungsanlagen an, die mehr als 99 % der Spaltprodukte sowie Reste von Uran, Plutonium und Actinoiden enthalten.

Als Endlagerkörper eignet sich Glas am besten, weil es die geforderten Bedingungen, nämlich gute mechanische Festigkeit, hohe Resistenz gegenüber Auslaugung, gute Wärmebeständigkeit und Wärmeleitfähigkeit und hohe Beständigkeit gegenüber ionisierenden Strahlen, am besten erfüllt. Hochaktive Spaltprodukte mit starker Wärmeentwicklung werden deshalb mit glasbildenden Stoffen gemischt; daraus werden dann Glasblöcke geschmolzen, die zusätzlich mit Edelstahl umschlossen werden. In dieser Form lassen sie sich dann sehr gut endlagern.

Die hochaktiven Spaltprodukte müssen mehr als 1000 a sicher im Glas eingeschlossen bleiben. In dieser Zeit darf der Glaskörper durch Temperaturerhöhung und Bestrahlung seine Beständigkeit nicht verlieren. Die Strahlungsbeständigkeit prüft man dadurch, dass in einer Art Zeitrafferexperiment das Glas in kurzer Zeit mit sehr hohen Strahlendosen geprüft wird.

Von den bereits konditionierten Abfällen mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung - das sind 95 % des Abfalls - stammen etwa drei Viertel des Gesamtvolumens aus Kernkraftwerken und Wiederaufarbeitungsanlagen und ein Fünftel aus Grossforschungsanlagen. Von einem Kernkraftwerk mit einer elektrischen Leistung von 1300 MW fallen jährlich etwa 582 m3 konditionierte Betriebsabfälle und Wiederaufarbeitungsabfälle an, von denen nur ein sehr kleiner Anteil hochaktiv ist und eine starke Wärmeentwicklung zeigt. [HG1]

Abfall, radioaktiver

Abfall, radioaktiver: Aktivitätsflussschema eines Kernkraftwerks.

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