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Kryotechnik

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Martina Wagner

Gebiet der Kältetechnik, das sich mit der Erzeugung und Anwendung sehr tiefer Temperaturen (unter -100 °C) befaßt. Die K. spielt u. a. bei funktechnischen Verstärkeranlagen, deren Rauschpegel sich bei tiefen Temperaturen stark verringert, sowie bei der Erzielung von Supraleitung eine Rolle. Kältetechnik, beschäftigt sich mit den technischen Problemen der Tieftemperaturphysik. Kryotechnik beinhaltet hauptsächlich die Konstruktion von Kryostaten zur Temperaturregelung im Tieftemperaturbereich. Kryostate bestehen aus dünnwandigen Kammern, die entweder unter Vakuum stehen oder mit Helium oder einem Experimentaufbau gefüllt sind. In einem Kryostaten kann es mehrere hundert Verbindungs- und Anschlusspunkte geben, die alle vakuumdicht sein müssen. Die Verbindung zur Aussenwelt und ggf. die Einspeisung von Kühlmitteln oder Strom erfolgt über dünnwandige Röhren. Sie bestehen meist aus rostfreiem Stahl oder CuNi, was wegen ihrer relativ niedrigen thermischen Leitfähigkeit und Stabilität gewählt wird. Bei anliegenden Druckunterschieden von 1 atm genügt eine Wanddicke von 1 % des Röhrendurchmessers. Beim Entwurf eines solchen Systems muss die Längenkontraktion beachtet werden, die bei diesen Materialien bei 4,2 K ca. 3-4 mm pro Meter ausmacht (Materialien der Kältetechnik).

Die verschiedenen Bauteile des Kryostaten können je nach Material mit Schweissen, Vakkuum-Löten, Hartlöten, Löten oder Kleben verbunden werden. Gummi-O-Ringe verlieren bei tiefen Temperaturen ihre Elastizität. Sie können durch Blei- oder Indium-O-Ringe (Drähte) ersetzt werden. Da letztere beide im Magnetfeld nicht einsetzbar sind, weil sie supraleitend werden, greift man in dem Fall auf Gold-O-Ringe zurück.

Um einen besseren thermischen Kontakt zwischen verschiedenen Bereichen im Kryostaten herzustellen, werden oft Drähte eingeschweisst. Sollen die betroffenen Bauteile bei Bedarf ausbaubar sein, werden sie statt dessen mit den Drähten verschraubt oder zusammengepresst. Ein hervoragender thermischer Kontakt kann sich auch ergeben, wenn man zwei Materialien mit unterschiedlichen thermischen Kontraktionen ineinander schachtelt. Die thermische Leitfähigkeit eines Metall-Kontaktes - die nicht unbedingt proportional zur elektrischen Leitfähigkeit ist - kann nach dem Wiedemann-Franz-Gesetz l = LTs bestimmt werden. (L: Lorentzzahl, s: elektrische Leitfähigkeit). Ein thermischer Widerstand von 1 mW bei 1 mK erzeugt demnach eine Leistung von 1 nW, was einem Temperaturanstieg von 0,4 mK entspricht.Kurzschlüsse in Kryokabeln lassen sich schwer beseitigen. Deshalb sollten bei der Konstruktion bereits Extraleitungen vorinstalliert werden, die dann bei Bedarf in Betrieb genommen werden können. Supraleitende Drähte werden verwendet, wenn kein thermischer Kontakt zur Probenkammer hergestellt werden soll. Oft ist es erwünscht, den thermischen Kontakt zur Probenkammer nach Bedarf an- oder abzuschalten. Eine Methode, dies zu realisieren, beruht auf den suprafluiden Eigenschaften von Helium. Dabei wird die Kondensation des sehr schlecht wärmeleitenden festen Heliums unter Drucken von ca. 30 atm ausgenutzt. Dieses Verfahren funktioniert zwischen 1 K und 2,17 K. Bei Temperaturen unter 1 K hat sich die Verwendung von supraleitenden Wärmeschaltern bewährt. Ihre Funktion geht auf den grossen Leitfähigkeitsunterschied zwischen normalleitender und supraleitender Phase zurück. Bei Experimenten mit Kryostaten muss eine ganze Reihe von äusseren Störeinflüssen ausgeschaltet werden. Gegen Schalleinwirkung hilft am besten eine schalldämmende Box, die den Kryostaten umgibt, gegen Pumpenvibrationen benutzt man meistens lange, gerippte Metalleitungen oder Gummischläuche, die an mehreren Punkten fest mit einem massiven Objekt verbunden werden. Elektrische Störungen bei der Messung sehr kleiner Signale lassen sich durch elektrische Schilde abhalten, eine magnetische Abschirmung kann man durch Mu-Metall oder supraleitende Bleischirme erreichen. RF-Lecks durch benachbarte Radiostationen können in abgeschirmten Räumen gemildert werden, mit denen über einen Frequenzbereich von 50 kHz bis 1 GHz Abdämpfungen von 120 dB erzielt werden können.

Der Kapiza-Widerstand von Cu in 4He ist bei 1 mK so gross, dass die Zeit zum Erreichen des thermischen Gleichgewichtes einige Jahre beträgt. Wenn man gepresste Kupfer-Pulver verwendet genügt eine effektive Oberfläche von 10m², um das Problem zu beseitigen.

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