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dissipative Strukturen

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Petra Nordinghaus-Martin

Thermodynamik und statistische Physik, Nichtgleichgewichtsstrukturen, die in thermodynamisch nicht isolierten Systemen auftreten, d.h. in Systemen, die mit der Umgebung Stoff und / oder Energie austauschen (Selbstorganisation). I. Prigogine hat 1967 vorgeschlagen, die stabilen räumlichen, zeitlichen oder raumzeitlichen Strukturen, die sich weitab vom Gleichgewicht jenseits kritischer Parameterwerte im nichtlinearen Bereich ausbilden können, als dissipative Strukturen zu bezeichnen. Zu den entscheidenden Merkmalen der dissipativen Strukturen gehört die Stabilität gegenüber kleinen Störungen und der überkritische Abstand vom Gleichgewicht. Bei starken Abweichungen vom thermodynamischen Gleichgewicht genügen die Systemvariablen nicht mehr linearen Gleichungen, sondern nichtlinearen dynamischen Gesetzen. Die Stabilität der dissipativen Strukturen beruht auf einer Balance von Nichtlinearität und Energiedissipation. Die Entstehung dissipativer Strukturen ist von fundamentaler Bedeutung für die Strukturbildung in der unbelebten Natur und damit überhaupt für die Möglichkeit der Evolution. (Synergetik)

Die wichtigste Teilklasse der dissipativen Strukturen bilden die stationären dissipativen Strukturen, die im Laufe der Zeit bei konstanten äusseren Bedingungen keinen Änderungen unterworfen sind. Die Entropieänderung dS verschwindet dann. Dies ist nur möglich, wenn die immer positive Änderung dSi, die durch die inneren Nichtgleichgewichtsprozesse bewirkt wird, durch eine negative Änderung dSi =  - dSext, die durch die Wechselwirkung des Systems mit seiner Umgebung entsteht, genau kompensiert wird. Das System muss also Entropie nach aussen abgeben, um die Entropieproduktion im Inneren ausgleichen zu können (Glansdorff-Prigogine-Prinzip). Für den speziellen Fall eines isotherm-isochoren Systems gilt dFext = T dSi > 0 und für ein isotherm-isobares System dGext = T dSi > 0, d.h. stationäre Nichtgleichgewichtssysteme müssen freie Energie F oder freie Enthalpie G einführen. Bezeichnet man nach Ostwald und Bertalanffy einen stationären (d.h. zeitunabhängigen) Nichtgleichgewichtszustand eines offenen Systems, der stabil gegenüber kleinen Schwankungen ist, als Fliessgleichgewicht, so entsprechen stationäre dissipative Strukturen überkritischen Fliessgleichgewichten, d.h. solchen Fliessgleichgewichten, die sich jenseits kritischer Abstände vom thermodynamischen Gleichgewicht einstellen können.

Ein typisches Beispiel für eine dissipative Struktur ist die Bénard-Instabilität.

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