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deterministisches Chaos

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Autor:
Hans-Peter Ahlsen

Nichtlineare Dynamik, Chaos, Fraktale, ein irreguläres, chaotisch erscheinendes Verhalten von Systemvariablen, das jedoch einer deterministischen Dynamik gehorcht, also nicht durch zufällige äussere Einflüsse wie z.B. Rauschen zustande kommt. Grund für diese Irregularität ist die Existenz von lokalen Instabilitäten, die eng benachbarte Systemzustände exponentiell schnell auseinander laufen lassen, sowie von Nichlinearitäten, die bewirken, dass dieselben oder ähnliche instabile Systemzustände immer wieder eingenommen werden. Ein Grundmechanismus für das Zustandekommen von Chaos, das wiederholte "Strecken und Falten", ist in einfachster Weise z.B. in der Bäcker-Abbildung oder dem sog. Smaleschen Hufeisen realisiert. Ein Mass für die Instabilität, der maximale Ljapunow-Exponent, ist die mittlere Separationsrate von Trajektorien entlang eines durch die Bewegungsgleichungen erzeugten Orbits. Dies bedeutet auch, dass kleine Störungen einer Trajektorie exponentiell verstärkt werden ("Schmetterlingseffekt"). Ein charakteristisches Merkmal für eine chaotische Trajektorie ist daher ein positiver maximaler Ljapunow-Exponent, der Instabilität ausdrückt, und ein zufällig erscheinendes Verhalten im Phasenraum oder einem Teil davon, welches z.B. durch eine positive Kolmogorow-Sinai-Entropie beschrieben werden kann (Ergodentheorie). Ein einfaches Entscheidungskriterium für das Auftreten von Chaos ist z.B. das transversale Schneiden von stabilen Mannigfaltigkeiten und instabilen Mannigfaltigkeiten in sog. homoklinen Punkten.

Ein anderes Chaoskriterium, wobei Chaos in einem etwas anderen Sinne aufgefasst wird, ist durch das Li-Yorke-Theorem gegeben. Der Ursprung des zufällig erscheinenden Verhaltens chaotischer Trajektorien kann auf die Festlegung von Anfangswerten eines instabilen dynamischen Systems zurückgeführt werden. Mit einer exakten Festlegung der Anfangswerte ist zwar einerseits das gesamte zukünftige Verhalten einer Trajektorie bestimmt (Determinismus), andererseits jedoch entspricht dies der Festlegung einer bestimmten Zufallssequenz von Zuständen (Chaos). Da in der Natur eine beliebig genaue Festlegung der Anfangsbedingungen nicht möglich ist, sind chaotische Systeme nur für eine bestimmte Zeit vorhersagbar. Letzteres wird besonders klar für das Beispiel der Verschiebungsabbildung, die zu einer Bernoulli-Verschiebung und damit letztlich einem Münzwurf äquivalent ist. Umgekehrt erhält man durch das Beobachten einer chaotischen Trajektorie immer mehr Information über den Anfangszustand des Systems. Die Analogie zu einem Münzwurf zeigt weiterhin, dass in solchen Systemen auch periodische Abfolgen von Systemzuständen möglich, aber sehr unwahrscheinlich sind. Mit Methoden der Chaoskontrolle können solche periodischen Orbits unter gewissen Voraussetzungen stabilisiert werden, was in der Satelliten-Navigation bereits erfolgreich praktisch umgesetzt worden ist.

Deterministisches Chaos tritt in praktisch allen Bereichen der Natur auf. Bekannte Beispiele findet man in der Laserphysik, der Hydrodynamik, bei chemischen Reaktionen und in den meisten mechanischen Problemen. Obwohl das chaotische Verhalten von drei wechselwirkenden Körpern (Dreikörperproblem) von H. Poincaré schon Ende des 19. Jh. untersucht worden war, wurde das Gebiet jedoch erst nach Arbeiten des Meteorologen E.N. Lorenz populär, der im Jahr 1963 einfache Modellgleichungen für die atmosphärische Dynamik untersuchte (Lorenz-System). [GR2]

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