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Quantenlogik

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Manfred Schönborn

Quantenmechanik, nicht einheitlich definierter Begriff, unter dem alle diejenigen Bestrebungen zusammengefasst werden können, welche auf der Ebene formalisierter Sprachen Erkenntnisse über das Verhältnis von klassischer Physik zur Quantenmechanik gewinnen möchten. Grundsätzlich unterscheiden sollte man jedoch die Analyse der »algebraisierten« Sprache zum Beispiel zum Zweck einer axiomatischen Formulierung der Quantentheorie von dem Bemühen, mit Hilfe solcher Untersuchungen ein besseres Verständnis der »Quantenwelt« zu erhalten, mit anderen Worten: eine Quantenlogik-Interpretation zu entwickeln (Quantenmechanik und ihre Interpretationen). Im ersten Fall wird die Sprache, das heisst der Logikkalkül, durch die Theorie interpretiert, im zweiten Fall erhofft man sich durch die Analyse des Aussagenkalküls ein besseres Verständnis der Theorie. Dabei wird auch die Frage nicht übereinstimmend beantwortet, ob die durch die Quantentheorie beschriebenen Phänomene einen Hinweis geben auf eine irgendwie »abweichende« Logik, das heisst: ob sie auf eine die klassische Aussagenlogik modifizierende Quantenlogik hindeuten. Wenn dem so ist, so wäre die Quantenlogik »fundamentaler« als die klassische Aussagenlogik, in demselben Sinn, wie die Quantentheorie das Fundament der gesamten, insbesondere der klassischen Physik, bildet.

Meist wird versucht, aus dem erfolgreichen mathematischen Formalismus der Quantenmechanik, das heisst vor allem aus der algebraischen Struktur des diesem Formalismus zugrundeliegenden Hilbert-Raumes, einen Aussagenkalkül zu entwickeln, den man mit einem analog konstruierten, nur klassische Phänomene beschreibenden Kalkül der Aussagenlogik vergleicht. Die quantenhafte Natur der Mikrowelt manifestiert sich dann in den festgestellten Differenzen dieser beiden Logikkalküle. (Daraus ergibt sich unter anderem die Frage: »Ist Logik empirisch?«)

Als historischen Ausgangspunkt kann man eine Arbeit von Garret Birkhoff und John von Neumann aus dem Jahre 1936 bezeichnen. Darin wird gezeigt, dass die Aussagen über Eigenschaften in der klassischen Mechanik einen Boolschen Verband bilden. Dieser Verband ist die Lindenbaum-Tarski-Algebra des klassischen Logikkalküls. Demgegenüber führt die Berücksichtigung der Komplementarität in der Quantenmechanik anhand der Nicht-Vertauschbarkeit der zu den Observablen gehörenden linearen Operatoren zu einem orthokomplementären quasimodularen Verband. Der Hauptunterschied zur klassischen Theorie zeigt sich dabei in der Ungültigkeit des Distributivgesetzes. Die formale Analyse befasst sich dann mit der Frage, ob dieser orthokomplementäre quasimodulare Verband die Lindenbaum-Tarski-Algebra einer neuen Quantenlogik ist.

Andere Versuche zur Entwicklung einer Quantenlogik-Interpretation bestehen darin, eine drei- (oder sogar mehr-)wertige Logik zu definieren, so beispielsweise der intuitive Zugang von Hans Reichenbach über sogenannte »Interphänomene«, die die Besonderheiten bei quantenmechanischen Doppelspalt-Experimenten (Welle-Teilchen-Dualismus) erklären sollen. Neuere Überlegungen versuchen, modale Logik (das heisst Logikkalküle mit den Kategorien »möglich« und »notwendig«) und Quantenlogik in eine Beziehung zu setzen und entwickeln sogenannte modale Interpretationen der Quantenmechanik.

Literatur:

G. Birkhoff, J.v. Neumann: The Logic of Quantum Mechanics, Annals of Mathematics 37 (1936), 823-843; R.I.G. Hughes: Quantum Logic, Scientific American 245 (1981), 146-157; V.S. Varadarajan: Geometry of Quantum Theory, New York 1968.

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