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Diffusion in Festkörpern

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Julian Schultheiss

Festkörperphysik, Massentransport im kristallinen Festkörper durch mikroskopische Relativbewegungen der Teilchen. Die Diffusion in Festkörpern unterscheidet sich von der in Gasen und Flüssigkeiten, weil sich ein Körper im festen Zustand mit einem anderen Stoff nicht so vermischen kann wie zwei Gase oder Flüssigkeiten. Bei der Selbstdiffusion, die dem entsprechenden Vorgang in Gasen oder Flüssigkeiten analog ist, wandern eigene Kristallbausteine im Festkörper, bei der Gegendiffusion sind es Atome eines fremden Stoffes; daher nennt man die Gegendiffusion in der Kristallbautheorie Fremddiffusion. Wegen der meist notwendigen thermischen Aktivierung genügt der Diffusionskoeffizient D einem Arrhenius-Gesetz: Diffusion in Festkörpern. Dabei ist D0 eine Konstante, E die Aktivierungsenergie, kB die Boltzmann-Konstante und T die absolute Temperatur. Während interstitiell eingebaute Fremdatome direkt von einem Zwischengitterplatz zum nächsten wandern können, sind die Diffusion von substitutionell eingebauten Fremdatomen und die Selbstdiffusion nur durch direkten Austausch von Kristallbausteinen (Platzwechsel) oder durch die Wanderung atomarer Fehlstellen nach folgenden Mechanismen möglich:

1) Ein Zwischengitteratom springt von einem Zwischengitterplatz zum nächsten (Zwischengitterdiffusion).

2) Ein Gitterbaustein bewegt sich von seinem regulären Gitterplatz auf einen Zwischengitterplatz. Ein benachbartes Zwischengitteratom füllt die entstandene Leerstelle auf (Zwischengitterdiffusion).

3) Eine Leerstelle wandert durch Bewegung eines regulär eingebauten Gitterbausteins in die benachbarte Leerstelle (Leerstellendiffusion).

4) Wanderung eines Crowdions (Crowdionen-Diffusion).

Welcher der Prozesse im jeweiligen Material dominiert, hängt von der Konzentration und der Beweglichkeit der verschiedenen Fehlstellen in dem Material ab.

Mit Hilfe der Statistik kann D durch die Anzahl G der Platzwechsel bzw. der atomaren Sprünge der diffundierenden Kristallbausteine je Zeiteinheit ausgedrückt werden. Für kubische Kristalle gilt Diffusion in Festkörpern, wenn l die bei einem Sprung zurückgelegte Distanz ist. Bei der Selbstdiffusion über die Wanderung von Fehlstellen ist G = z c w, wobei z die Koordinationszahl, c die Konzentration der diffundierenden Fehlstellen und w die Anzahl der Sprünge einer Fehlstelle pro Zeiteinheit (Eigenfehlstellen) ist.

In realen Festkörpern gibt es oft Diffusionswege mit gegenüber dem sonstigen Kristallvolumen stark erhöhtem Diffusionskoeffizienten:

1) Korngrenzendiffusion entlang der Korngrenzen. Die Vergrösserung des Diffusionskoeffizienten ist ebenfalls durch die Störung des regelmässigen Kristallaufbaus zu erklären und äussert sich meist in einer Verminderung der Aktivierungsenergie der Diffusion im Festkörper. Die Korngrenzendiffusion spielt deshalb besonders bei niedrigen Temperaturen eine Rolle.

2) Pipe-Diffusion entlang der Versetzungen. Die Erhöhung des Diffusionskoeffizienten entsteht durch die aufgelockerte Gitterstruktur im Zentrum der Versetzung, dem Versetzungskern. Bei Kleinwinkelkorngrenzen ist die Korngrenzendiffusion mit der Pipe-Diffusion identisch.

3) Oberflächendiffusion, also die Bewegung von Oberflächenatomen oder -leerstellen auf einer Festkörperoberfläche. Die Erhöhung des Diffusionskoeffizienten erfolgt durch eine Verkleinerung der Aktivierungsenergie. Wegen der andersartigen Geometrie der Diffusion in Festkörpern auf der Oberfläche gegenüber dem Kristallvolumen gilt hier Diffusion in Festkörpern.

Die Selbstdiffusion wird meist mit radioaktiv markierten Kristallbausteinen gemessen. Diffusionsmessungen sind ein wichtiges Hilfsmittel zum Studium der Eigenschaften atomarer Fehlstellen.

Die praktische Bedeutung der Diffusion in Festkörpern liegt vor allem auf dem Gebiet der Halbleiterbauelemente. (Halbleiterphysik) [JS2]

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