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Festkörperphysik

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Autor:
Hans-Peter Ahlsen

Festkörperphysik, Zweig der Physik, der einerseits im Rahmen der makroskopischen, phänomenologischen Betrachtungsweise das mit ihrem im allgemeinen kristallinen Aufbau verbundene anisotrope Verhalten der Festkörper erforscht und andererseits vor allem umfassend den mikroskopischen Aufbau dieser Stoffe untersucht und zur möglichst quantitativen Erklärung ihrer Eigenschaften heranzieht. Typisch für den ersten Aspekt sind die klassische Kristallographie und die Kristalloptik, während der zweite Aspekt die gesamte modernere Festkörperphysik umfasst. Die kristalline Struktur, d.h. die Existenz einer Fernordnung im atomaren Aufbau, ist das typische Merkmal der Festkörper im engeren Sinne, das sie von den Flüssigkeiten unterscheidet. Amorphe, glasartige Stoffe nehmen eine Sonderstellung ein, sie können sich - ausser durch die stark behinderte Beweglichkeit der atomaren Bausteine - von den eigentlichen Flüssigkeiten, in denen lediglich eine statistische Nahordnung bei starken Fluktuationen existiert, durch einen streng geordneten Aufbau in Mikrobereichen unterscheiden und dennoch keinerlei Fernordnung zeigen. Sie sind theoretisch sehr viel weniger verstanden als die kristallinen Festkörper. (amorphe Festkörper, Glas).

Die Festkörperphysik als typische Querschnittsdisziplin benutzt experimentelle und theoretische Methoden aus fast allen Gebieten der Physik. Die Streuung von Röntgenstrahlen, Neutronen oder auch Elektronen dient zur Kristallstrukturanalyse und vor allem im Falle der Neutronenstreuung zur Untersuchung der Gitterschwingungen und magnetischen Anregungen (Spinwellen). Optische Untersuchungen des emittierten oder reflektierten Lichts und sehr diffizile Resonanzeffekte bei anliegendem Magnetfeld liefern wichtige Ergebnisse über die Elektronenzustände im Festkörper. Aus der Untersuchung von Transportvorgängen, insbesondere der elektrischen Leitfähigkeit und des Hall-Effekts, gewinnt man Aufschlüsse über die Natur, Konzentration und Beweglichkeit der Ladungsträger, ihre Wechselwirkung mit Gitterfehlern und Gitterschwingungen. Aus Untersuchungen der Wärmeleitfähigkeit folgen Aussagen über die gegenseitige Beeinflussung von Gitterschwingungen. Die Diffusion in Festkörpern liefert Informationen über Gitterfehler. Die hochentwickelten Methoden der kernmagnetischen Resonanz liefern genaue Angaben über die elektrischen und magnetischen Mikrofelder im Festkörper. Spezielle Verfahren sind für die Untersuchung von Oberflächen- und Grenzflächeneffekten bei dünnen Schichten entwickelt worden.

Eine Einteilung der Festkörper ist nach verschiedenen Gesichtspunkten möglich:

1) rein geometrisch nach der Kristallsymmetrie;

2) nach der Art der Gitterbausteine (Ionen, Atome, Moleküle) und den sie vorrangig zusammenhaltenden Bindungskräften der Kristallbindung;

3) nach ihrer Zusammensetzung in Elemente und Legierungen;

4) nach der Grösse ihrer elektrischen Leitfähigkeit oder genauer nach der Lage ihrer Fermi-Fläche in Isolatoren oder Dielektrika, Halbleiter und Metalle;

5) nach ihrem magnetischen Verhalten in solche ohne magnetische Ordnung, deren Dia- oder Paramagnetismus durch den Magnetismus der isolierten atomaren Bausteine und das magnetische Verhalten der Leitungselektronen in Metallen vollständig erklärt wird, und solche mit magnetischer Ordnung, also die (anti-) ferro- bzw. ferrimagnetischen Substanzen;

6) nach weiteren besonderen Merkmalen, z.B. Ferroelektrizität oder Supraleitfähigkeit.

Wichtiges Kennzeichen der Struktur eines festen Körpers sind die als Gitterfehler bezeichneten Abweichungen vom streng kristallinen Aufbau. Sie sind z.B. ohne Bedeutung für das thermische, aber entscheidend oder mitbestimmend für das mechanische, elektrische, chemische oder optische Verhalten, beispielsweise für das plastische Verhalten, für die Ionenleitlähigkeit und die Leitungsvorgänge in Halbleitern, für Lumineszenzprozesse, für chemische Festkörperreaktionen u.a.m. Dementsprechend unterscheidet man zwischen strukturempfindlichen und -unempfindlichen Eigenschaften.

Ein Festkörper stellt ein äusserst kompliziertes System dar, zu dessen theoretischer Analyse gerade die reguläre Anordnung der atomaren Bausteine im Kristallgitter einen geeigneten Ausgangspunkt liefert. Als Teilprobleme lassen sich abspalten: die Untersuchung der Gitterschwingungen, der elektronischen Struktur, d.h. vor allem der Bandstruktur, die Wechselwirkung atomarer magnetischer Momente, die gegenseitige Wechselwirkung von Gitterschwingungen (Phononen), Elektronen, gegebenenfalls weiteren Elementaranregungen und Gitterfehlern. Die Festkörperphysik hat bedeutende Grundlagenerkenntnisse für die technische Nutzung geliefert, insbesondere für die gesamte Werkstofforschung und die Elektronik.

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