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Gittermodelle

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Julian Schultheiss

Thermodynamik und statistische Physik, Klasse von Modellen in der statistischen Mechanik, bei denen den Punkten (Linien, Elementarflächen, Elementarzellen, etc.) eines Gitters physikalische Freiheitsgrade zugeordnet werden. Gittermodelle dienen in erster Linie der Beschreibung von Festkörpern, bei denen die Ruhelagen der molekularen Rümpfe als statisch angesehen werden können, finden aber auch in anderen Bereichen der Physik Anwendung.

Obwohl schon sehr früh Gitterstrukturen für Festkörper untersucht wurden (Huygens 1690, Haüy 1822), gewannen sie erst nach der experimentellen Entdeckung der Kristallstrukturen von Festkörpern 1912 an Bedeutung. Die ersten Gittermodelle hatten die Schwingungsmoden eines Festkörpers zum Gegenstand. Die lokalen Freiheitsgrade entsprechen in diesem Fall den Auslenkungen der Rumpfmoleküle aus einer Gleichgewichtslage. In der harmonischen Näherung ist die Energie eine Funktion der Quadrate der relativen Abstände benachbarter Rumpfatome. Die Quantisierung dieses Modells führt zu den Phononen als den Quasiteilchen der Gitteranregungen.

Generell werden klassische und quantenmechanische Gittermodelle unterschieden. Bei klassischen Gittermodellen sind die lokalen Freiheitsgrade Elemente eines Zustandsraumes. Die Konfigurationen eines klassischen Gittermodells sind somit Abbildungen von den Gitterpunkten (-linien, etc.) in diesem Zustandsraum. Auf dem Raum der Konfigurationen ist im allgemeinen ein Energiefunktional definiert, zu dem man die Boltzmann-Konstante bestimmen kann. Daraus ergibt sich nach dem üblichen Formalismus der statistischen Mechanik die Zustandssumme als Summation über alle Konfigurationen, jeweils gewichtet mit der Boltzmann-Konstante, sowie die Möglichkeit der Berechnung von Erwartungswerten. Damit die Energie zu allen Konfigurationen endlich ist, muss man das Gitter zunächst als endlich ausgedehnt annehmen, was die Festlegung von Randbedingungen erfordert. Für intensive Grössen (beispielsweise die freie Energie pro Gitterpunkt) erhält man die thermodynamischen Grössen im Grenzfall unendlicher Gittergrösse (dem sogenannten thermodynamischen Limes).

Bekannte klassische Gittermodelle sind das Ising-Modell (der Raum der lokalen Zustände besteht hier aus den beiden Spinorientierungen ±1), das Potts-Modell (der Zustandsraum besitzt q Elemente), Vertex-Modelle (der lokale Zustandsraum besteht aus den beiden möglichen Orientierungen einer Gitterlinie, die Energie bestimmt sich aus den Konfigurationen um Gitterpunkte), der klassische Heisenbergsche Ferromagnet (der Zustandsraum entspricht einer Kugeloberfläche), oder auch Gittereichtheorien (der Zustandsraum besteht aus der unitären Darstellung einer Gruppe). Im diesem Fall sind die Freiheitsgrade für die Gitterlinien definiert.

Bei quantenmechanischen statistischen Modellen sind den Gitterpunkten (Linien, etc.) Matrizen oder lineare Operatoren in einem Vektorraum bzw. Hilbert-Raum zugeordnet. Die Energie und die Boltzmann-Konstante sind ebenfalls Operatoren, die Zustandssumme ist gleich der Spur der Boltzmann-Konstanten. Eine wichtige Klasse quantenmechanischer statistischer Modelle bilden die Quantenspinketten, bei denen das Gitter aus einer eindimensionalen Kette besteht und den Punkten dieser Kette Spin-Matrizen zugeordnet werden. Sie beschreiben die Propagation von Spinwellen entlang einer eindimensionalen Kette. In anderen Modellen, z.B. zur Beschreibung der Propagation von Teilchen in einem Gitter, werden den Gitterpunkten Erzeugungs- bzw. Vernichtungsoperatoren zugeordnet. Ein bekanntes Beispiel zur Beschreibung von Gitterelektronen in einem Magnetfeld ist das Hubbard-Modell. Über den Transfermatrix-Formalismus sind d-dimensionale klassische Gittermodelle mit
(d - 1)-dimensionalen quantenmechanischen Gittermodellen verknüpft. [TF3]

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