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Atommodelle

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Hermann Loring

im weitesten Sinn alle Vorstellungen über den Aufbau der Atome, insbesondere über die Struktur der Atomhülle. Ursprünglich verstand man unter Atommodellen die an der Struktur makroskopischer Systeme orientierten Analogiemodelle, die die Eigenschaften und das Verhalten der nicht direkt beobachtbaren Atome verständlich machen sollten. Von Beginn des empirisch begründeten atomistischen Weltbildes bis zur Entdeckung des Elektrons im Jahr 1897 betrachtete man Atome meistens als homogene, vollkommen elastische Kugeln ohne innere Struktur, auf die die Gesetze der klassischen Mechanik uneingeschränkt anwendbar sein sollten (Daltonsches Atommodell, mechanisches Atommodell). Dieses Modell lieferte etwa die Heuristik für die Entwicklung der kinetischen Gastheorie. Mit der Entdeckung des (negativ geladenen) Elektrons wurde den Atomen dann auch eine innere Struktur zugeschrieben. In Erweiterung des mechanischen Atommodells schlug Thomson 1904 ein Atommodell vor, das aus einer kugelförmigen, homogenen positiven Ladungsverteilung besteht, in der sich die Elektronen ähnlich wie Rosinen im Kuchen befinden ("Plum-Pudding-Modell", Thomsonsches Atommodell). Streuexperimente mit Elektronen (Lenard 1903) und Alphateilchen (Rutherford 1911) ergaben jedoch, dass der von einem Atom eingenommene Raum grösstenteils leer ist. In Analogie zum Planetensystem schlug Rutherford daher ein Atommodell vor, in dem die Elektronen einen massiven, positiv geladenen Kern sehr geringer Ausdehnung auf planetenartigen Bahnen umkreisen sollten (Planetenmodell, Rutherfordsches Atommodell). Auf der Basis dieser Vorstellung lassen sich zwar die Ergebnisse der Streuung mit Alphateilchen quantitativ beschreiben (Rutherford-Streuung), im Rahmen der klassischen Elektrodynamik ist ein solches Atom aber nicht stabil, weil die Bewegung auf einer gekrümmten Bahn einer beschleunigten Bewegung entspricht. Folglich müssten die Elektronen elektromagnetische Strahlung abgeben, wie aus entsprechenden Experimenten mit Kathodenstrahlen bereits bekannt war, dadurch kinetische Energie verlieren und schliesslich in den Kern stürzen. Dieses Problem beseitigte Bohr 1913, indem er die Existenz stabiler Elektronenbahnen im Atom postulierte: Kern und Elektronen sollten sich zwar entsprechend dem Coulombschen Gesetz anziehen, aber die Bewegung der Elektronen um den Kern sollte nur auf bestimmten Bahnen erfolgen, die durch eine ad hoc eingeführte Quantenbedingung festgelegt werden; auf diesen Bahnen sollten die Elektronen keine Strahlungsverluste erleiden (Bohrsches Atommodell). Auf der Basis dieser Modellannahmen liessen sich die Spektren von Einelektronenatomen quantitativ beschreiben (Bohrsche Theorie), die Stabilität der Atome wurde dadurch aber natürlich nicht erklärt. Das Bohrsche Atommodell wurde in den folgenden Jahren von Sommerfeld erweitert, indem auch die Möglichkeit elliptischer Bahnen und einige relativistische Effekte berücksichtigt wurden (Bohr-Sommerfeldsches Atommodell).

Den auf solchen anschaulichen Analogien beruhenden Atommodellen kam zwar in bestimmten Stadien der historischen Entwicklung durchaus ein heuristisches Potential zu, die allen Modellen gemeinsame Schwäche ist aber die implizite Annahme, dass ein Atom sich im Prinzip wie ein auf atomare Dimensionen verkleinertes, makroskopisches System verhalten sollte. Mit Entwicklung und Ausarbeitung der Quantenmechanik wurde klar, dass eine solche Annahme grundsätzlich unzulässig ist, weil vor allem der klassische Begriff der Elektronenbahn durch den Begriff des quantenmechanischen Zustands zu ersetzen ist, und die Besetzung eines solchen Zustandes mit Elektronen dem Pauli-Prinzip, das der Ununterscheidbarkeit der Elektronen Rechnung trägt, gehorchen muss (Atomtheorie). Die quantenmechanischen Atommodelle beruhen aus diesen Gründen nicht mehr auf anschaulichen Analogien zu makroskopischen Systemen, sondern auf der physikalischen Interpretation der durch bestimmte Näherungen erhaltenen Hamilton-Operatoren für ein Atom. Die in diesem Zusammenhang wichtigste Näherung ist die Einteilchennäherung, in deren Rahmen der Zustand eines einzelnen Elektrons nur von der mittleren Verteilung der übrigen Elektronen und dem Coulomb-Potential des Atomkerns abhängt. Die aus dieser Annahme folgenden Einteilchenzustände (Atomorbital) sind durch die vier Quantenzahlen n, l, ml und ms vollständig bestimmt (Zentralfeldnäherung). Wegen der sich daraus ergebenden Schalenstruktur wird dieses Modell oft als Schalenmodell des Atoms bezeichnet. Die aus der Addition der Drehimpulse der Einteilchenzustände zu Zuständen mit bestimmtem Gesamtdrehimpuls resultierenden Kopplungsschemata nennt man gelegentlich auch Vektormodelle des Atoms. Weitere quantenmechanische Atommodelle sind das statistische oder Thomas-Fermi-Modell (Thomas-Fermi-Näherung) und das Hartree-Fock-Modell unabhängiger Elektronen (Hartree-Fock-Näherung). [MG1]

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