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Mössbauer-Spektroskopie

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Hans-Peter Ahlsen

Laboratoriumsmethoden und -geräteBiophysik, Gammastrahlen-Resonanz-Spektroskopie, die Anwendung der Kern(resonanz)fluoreszenz (Kernfluoreszenz) unter Ausnutzung des Mössbauer-Effektes. Der Bindungszustand eines Atoms in einem Festkörper ruft eine kleine Änderung der Energiezustände hervor. Dies verschiebt die Lage der Resonanzlinien in Form der Isomerieverschiebung und der chemischen Verschiebung. Eine weitere Aufspaltung in mehrere Linien kann durch Kristallfelder oder die Elektronenverteilung in der Elektronenhülle geschehen. Von mehr als 40 Elementen sind rückstossfreie Gammaübergänge bekannt, darunter 57Fe, 119Sn, 127J und 129Xe. Wünschenswerte Eigenschaften von Mössbauer-Isotopen sind eine niedrige Gammaübergangsenergie zwischen dem ersten angeregten Zustand und dem Grundzustand, eine mittlere Lebensdauer des angeregten Zustandes t » 10-7-10-9 s und eine hohe Kernmasse (ca. > 50), damit der Einfluss des Rückstosses gering bleibt.

57Fe weist von allen Isotopen die besten Eigenschaften auf und ist glücklicherweise auch in vielen interessanten Verbindungen vorhanden. 57Fe wird durch Elektroneneinfang aus 57Co gebildet (siehe Abb. 1). In diesem Prozess wird der zweite angeregte Zustand in 57Fe bevölkert, der überwiegend in den 14,4 keV-Zustand übergeht. Der Gammaübergang bei 14,4 keV ist der wichtigste für Mössbauer-Anwendungen. Dagegen ist die Rückstosseneregie von ER = 1,95 × 10-3 eV sehr klein. Der Übergang zwischen dem angeregten I = 3 / 2 und dem Grundzustand I = 1 / 2 ist ein beinahe reiner magnetischer Dipolübergang (M1) mit einer Halbwertszeit von t » 100 ns. Die natürliche Linienbreite ist Gnat = 0,45 × 10-8 eV. Die geringe Häufigkeit von 57Fe von 2,19% wird durch die grosse Resonanzabsorptions-Querschnittsfläche von 257 × 10-20 cm2 kompensiert. Darüberhinaus hat der 14,4 keV-Übergang einen internen Konversionsfaktor von 10, was es erlaubt, Konversionselektronen zu benutzen.

Zur Messung der Resonanzabsorption in Abhängigkeit von der Gammastrahlungsfrequenz werden Strahlungsquelle und Absorber gegeneinander bewegt. Die Geschwindigkeiten liegen in der Grössenordnung von einigen mm / s-cm / s. Die Frequenzabstimmung findet unter Ausnutzung des Doppler-Effektes statt.

Das Mössbauer-Spektrum reagiert sensibel auf Änderungen der elektromagnetischen Felder im Bereich der untersuchten Kerne. Mit Hilfe der Mössbauer-Spektroskopie lässt sich das Produkt aus dem magnetischen Moment des Absorberkerns und dem konstanten Magnetfeld am Ort des Kerns bestimmen (magnetische Hyperfeinstruktur). Ist eine der Grössen bekannt, so kann die andere ermittelt werden. Auch Kerne mit einer von der Kugelsymmetrie abweichenden Ladungsverteilung (z.B. mit einem Quadrupolmoment) erzeugen ein inhomogenes elektrisches Feld und damit eine Feinstruktur der Linien ebenso wie chemische Bindungen, Kernanregungszustände usw. (siehe Abb. 2).

Die hohe Genauigkeit der Mössbauer-Spektroskopie erlaubt die Neuvermessung von durch die Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagten Linienverschiebungen im Gravitationsfeld der Erde, die Messung des transversalen Doppler-Effektes infolge der relativistischen Zeitdilatation an thermisch angeregten Atomen, die Lebensdauermessung angeregter Kernzustände, die Strukturbestimmung in Molekülkristallen und die Messung von Gitterschwingungsspektren (Gitterschwingungen) und Debye-Temperaturen.

Schäden, die niederenergetische radioaktive Strahlung in Festkörpern hervorruft, können mit Mössbauer-Spektroskopie untersucht werden. Da der Zerfall, der mit der Mössbauer-Spektroskopie einhergeht, selbst Schäden hervorzurufen vermag, ist das Mössbauer-Isotop in diesen Fällen genau am Ort des Geschehens.

Mit Hilfe der Mössbauer-Spektroskopie können Oberflächenuntersuchungen (Ober- und Grenzflächenphysik) ausgeführt werden, wenn man ein Mössbauer-Absorberisotop in einen dünnen Film oder das Substrat einbaut, indem man sehr kleine Nanopartikel oder die Quellen selbst untersucht.

Ein eher aussergewöhnliches Beispiel ist die Anwendung in der Archäologie. Die Mössbauer-Spektroskopie kann dazu benutzt werden, festzustellen, in welchen Formen Eisen in einer Probe vorliegt und in welchen Mengenverhältnissen die verschiedenen Formen auftreten. Töpferarbeiten können auf diese Weise datiert werden, indem etwa auf die Brenntechnik oder den verwendeten Ton geschlossen wird. Die Mössbauer-Spektroskopie wurde ebenfalls dazu benutzt, Farbpigmente zu identifizieren, die auf antiken Vasenmalereien oder in den charakteristischen Farbmischungen grosser Meister benutzt wurden.

Grosse Bedeutung hat die Mössbauer-Spektroskopie bei der experimentellen Analyse der Konformation von Biomakromolekülen mit schweren Metallionen, z.B. der Hämproteine wie Hämoglobin und Myoglobin. So kann man mit Hilfe der Mössbauer-Spektroskopie die Verschiebung des Häm-Ringes bei der Bindung von molekularem Sauerstoff durch Hämoglobin vermessen.

Mössbauer-Spektroskopie

Mössbauer-Spektroskopie 1: Zerfallsschema von 57Co mit dem Grundzustand (I = 1 / 2) und dem Mössbauer-Niveau (I = 3 / 2). Angegeben sind die Energieniveaus und die Lebensdauern. EC: electron capture (Elektroneneinfang).

Mössbauer-Spektroskopie

Mössbauer-Spektroskopie 2: Mögliche Energieniveaus für 57Fe für 4 verschiedene Arten der Hyperfeinstrukturwechselwirkung: (a) Isomerieverschiebung, (b) Quadrupolwechselwirkung, (c) magnetische Wechselwirkung: DEG = Grundzustandsaufspaltung, DEA = Aufspaltung des angeregten Zustandes, (d) kombinierte Quadrupol- und magnetische Wechselwirkung.

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