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axiomatische Quantenfeldtheorie

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Petra Nordinghaus-Martin

relativistische Quantenfeldtheorie, die versucht, ausgehend von möglichst wenigen, als Axiome in die Theorie eingeführten und aus physikalischen oder mathematischen Gründen als unumgänglich erscheinenden Voraussetzungen die Quantentheorie mathematisch konsistent zu formulieren und dabei zugleich die in der konventionellen Quantenfeldtheorie auftetenden Schwierigkeiten zu vermeiden. Die axiomatische Quantenfeldtheorie, die Ende der 50er Jahre basierend auf Arbeiten von Wightman, Streater, Lehmann, Schwinger, Zimmermann, Ruelle, Haag, Jost und anderen entstand, ist keine Axiomatisierung einer bereits vorliegenden, bewährten Theorie; man versucht hier im Gegenteil, durch exakte mathematische Beweise die Widerspruchsfreiheit der aus den bisherigen Bemühungen um die Konstruktion einer konsistenten relativistischen Quantentheorie folgenden Grundannahmen zu sichern und unter Zugrundelegung dieser Annahmen eine konsistente Theorie der Elementarteilchen und allgemeiner relativistischer Quantensysteme zu konstruieren.

So folgt beispielsweise aus den Axiomen einer relativistischen Quantenfeldtheorie in vier Raum-Zeit-Dimensionen das Spin-Statistik-Theorem und die allgemeine CPT-Invarianz (CPT-Theorem). Aus den analytischen Eigenschaften der Vakuumerwartungswerte lässt sich auch das Haagsche Theorem herleiten, nach dem eine Quantenfeldtheorie im wesentlichen durch die Algebra der Felder zu einem festen Zeitpunkt gegeben ist. Eine wichtige Folgerung des Haagschen Theorems ist, dass kanonische Vertauschungrelationen nur für die Quantenfelder einer wechselwirkungsfreien Theorie gelten können.

Es existieren verschiedene Varianten der axiomatischen Quantenfeldtheorie, die alle von den gleichen physikalischen Voraussetzungen ausgehen, jedoch verschieden formuliert werden, und deren Äquivalenz in vielen Fällen bewiesen werden konnte; die wichtigsten Varianten der grundlegenden Axiomensysteme sind die Wightman-Axiome sowie die Axiome der algebraischen Quantenfeldtheorie und der euklidischen Quantenfeldtheorie. Ein wesentliches Ziel der axiomatischen Quantenfeldtheorie ist auch die Formulierung einer Streutheorie und die Begründung der grundlegenden Annahmen der analytischen und axiomatischen S-Matrix-Theorie.

Grundlegende Axiome: Die Grundaxiome für eine allgemeine relativistische Quantentheorie lauten:

-Darstellung physikalischer Zustände durch Strahlen in einem separablen Hilbert-Raum;

-Existenz einer unitären Darstellung der eigentlichen Poincaré-Gruppe auf den physikalischen Zuständen (Darstellung einer Gruppe);

-Eindeutigkeit des Vakuumzustandes (als einzigem Poincaré-invariantem Zustand);

-Spektralbedingung (die Eigenwerte der Generatoren der vierdimensionalen Translationen, d.h. des Energie-Impuls-Operators, liegen innerhalb des positiven Lichtkegels oder auf diesem).

Der Ausgangspunkt der meisten Varianten einer axiomatischen Quantenfeldtheorie ist - im Gegensatz zur algebraischen Quantenfeldtheorie, bei der die Algebra der Observablen im Vordergrund steht - die Algebra der Feldoperatoren. Für diese Feldoperatoren fordert man zusätzlich

-relativistische Kovarianz (dies ermöglicht die Zuordnung eines Spins);

-Lokalität (Feldoperatoren zu raumartigen Argumenten kommutieren oder antikommutieren), diese Bedingung wird manchmal auch Mikrokausalität genannt;

-Zyklizität des Vakuumzustandes (die Polynomalgebra der Feldoperatoren, angewandt auf das Vakuum, erzeugt einen dichten Unterraum des Hilbert-Raums).

Die Forderung der Zyklizität ersetzt die kanonischen Vertauschungsrelationen für Quantenfelder, da diese nach dem Haagschen Theorem zu einschränkend sind (siehe oben). Zusammen mit den anderen Axiomen bedeutet die Zyklizität, dass die Feldalgebra irreduzibel ist.

Zusätzlich zu den angegebenen Axiomen wird manchmal die

-asymptotische Vollständigkeit (die Hilbert-Räume der physikalischen Zustände, der einlaufenden und der auslaufenden Zustände, sind gleich)

verlangt. Dies stellt einen Bezug zwischen den Quantenfeldern und den asymptotischen Streuzuständen her.

Konstruktion der Feldoperatoren - Wightman-Distributionen: Man geht davon aus, dass die Feldoperatoren für einen Punkt x des Raum-Zeit-Kontinuums keine wohldefinierten Grössen sind. Messungen werden in Wirklichkeit nicht im Punkt x, sondern innerhalb eines bestimmten endlichen Volumens DV und während einer endlichen Zeitspanne Dt ausgeführt; daher konstruiert man einen Feldoperator als operatorwertige Distribution, d.h. seine Erwartungswerte bilden temperierte Distributionen auf dem Raum geeigneter Testfunktionen.

Die Vakuumerwartungswerte von Produkten der Quantenfelder sind die Wightman-Distributionen, aus denen sich nach dem Wightmanschen Rekonstruktionstheorem eine relativistische Quantenfeldtheorie zurückgewinnen lässt. Voraussetzung ist, dass diese Distributionen den Wightman-Axiomen genügen:

-Temperiertheit,

-relativistische Kovarianz,

-Spektralbedingung,

-Positivität,

-Lokalität,

-Clustereigenschaft.

Die Positivitätsbedingung garantiert, dass die physikalischen Zustände positive Norm haben. Aus der Clustereigenschaft folgt die Eindeutigkeit des Vakuumzustandes. Für die Vakuumerwartungswerte einer Quantenfeldtheorie lassen sich obige Eigenschaften beweisen.

Wesentliche Resultate der axiomatischen Quantenfeldtheorie beruhen auf der Eigenschaft der Wightman-Distributionen, Randwerte komplexer Funktionen zu sein. Wightman-Distributionen lassen sich somit zu komplexen Argumenten fortsetzen. So lässt sich beispielsweise zeigen, dass die Wightman-Distributionen zu allen Zeitpunkten bereits durch ihre Werte zu einem festen Zeitpunkt festliegen. Das Haagsche Theorem ist im wesentlichen eine Folge dieser Eigenschaft.

Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den Schwinger-Distributionen (Schwinger-Funktionen) zu, die man durch Auswertung der Wightman-Distributionen bei rein imaginären Zeitargumenten und reellen Raumargumenten erhält (den sogenannten Schwinger-Punkten).

Axiomatische Streutheorie: Haag und Ruelle konnten erstmals die Existenz von Streuzuständen in einer Theorie zeigen, die den Wightman-Axiomen genügt. Ausgangspunkt der hierauf aufbauenden Streutheorie von Lehmann, Symanzik und Zimmermann (axiomatische S-Matrix-Theorie oder LSZ-Theorie) sind die zeitgeordneten Vakuumerwartungswerte der Quantenfelder, die sogenannten t-Distributionen. Die t-Distributionen sind symmetrisch in ihren Argumenten. Aus ihnen lassen sich die Elemente der Streumatrix einer Quantenfeldtheorie und damit die Wirkungsquerschnitte berechnen.

Euklidische Quantenfeldtheorie: Die oben angedeutete Möglichkeit der analytischen Fortsetzung der Vakuumerwartungswerte (Wightman-Distributionen) zu imaginären Zeiten führte Ende der 60er Jahre zur Entwicklung der euklidischen Quantenfeldtheorie.

Osterwalder und Schrader formulierten die Axiome für die euklidischen Greenschen Funktionen oder auch Schwinger-Funktionen und zeigten die Äquivalenz zum Wightmanschen Axiomensystem. Die Osterwalder-Schrader Axiome sind:

-Temperiertheit,

-euklidische Kovarianz,

-Symmetrie (bzw. Antisymmetrie bei Fermionen) unter Permutationen,

-Reflektionspositivität.

Die Reflektionspositivität entspricht der Positivitätsbedingung der Wightman-Distributionen. Euklidische Kovarianz bezieht sich auf das Transformationsverhalten unter vierdimensionalen Drehungen und Translationen. Die Lokalitätsbedingung ist nun durch die Symmetrieeigenschaften ersetzt. Die Spektralbedingung der Wigthman-Distributionen folgt bereits aus obigen Annahmen.

Die Schwinger-Funktionen lassen sich formal auch als n-te Momente eines Integrationsmasses auf dem Raum der Distributionen darstellen. In diesem Formalismus werden die Axiome zu Forderungen an das Integrationsmass. [TF3]

Literatur:

R.F. Streater, A.S. Wightman: PCT, Spin and Statistics, and all that, The Benjamin Publishing Company, 1964.

J. Glimm, A. Jaffe: Quantum Physics - A Functional Integral Point of View, Springer-Verlag, 1981.

K. Osterwalder, R. Schrader: Comm. Math. Phys. 31 (1973) 83-112 und 42 (1975) 281-305.

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