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Umweltphysik

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Autor:
Martina Wagner

Umwelt- und Geophysik

bottom:.0001pt\'>Die Umweltphysik will die Grundlage von Vorgängen in der irdischen Natur – wie z.B. dem vergangenen (Paläoklimatologie), gegenwärtigen und dem zu erwartenden globalen Klima und damit einhergehenden Klimaveränderungen – untersuchen und darstellen; sie umfasst also das Studium von Physik und Chemie der Atmosphäre, des Ozeans, des Bodens und des Grundwassers, aber auch des Eises in den Hochgebirgen und auf den Polkappen.

bottom:.0001pt\'>Historisches

bottom:.0001pt\'>Wissenschaftliche Institute, die sich mit Umweltphysik (in den USA für gewöhnlich unter dem Namen geochemistry) beschäftigen, gibt es weltweit. In Mitteleuropa wird Umweltphysik in Bern, Bremen, Glasgow, London, Paris, Wien, Zürich betrieben.

bottom:.0001pt\'>Für die Entwicklung einer eigenständigen Disziplin Umweltphysik in Deutschland kann als Beispiel die Gründung des Instituts für Umweltphysik an der Universität Heidelberg genannt werden, das beinahe zwangsläufig aus einem 1953 neu geschaffenen Radiokohlenstoff-(14C)-Datierungslaboratorium entstand. Der Kohlenstoff-14 mit einer Halbwertszeit von fast 6 000 Jahren ist ein Tracer oder Marker, der den Umsatz von Kohlenstoff in der Natur, und damit den Ablauf wichtiger Lebensvorgänge sichtbar macht (Kohlenstoffkreislauf); die 14C-Datierung (Radiokarbonmethode) liefert absolute Alter für die Archäologie und die Palynologie (Erforschung der Hochmoore), wo es bis zu diesem Zeitpunkt mit der Pollenanalyse schon eine sehr potente relative Altersbestimmung gab (Altersbestimmung, radioaktive). Bald kamen stabile Tracer, wie 13C (Kohlenstoff-13) dazu, und es wurde möglich, wichtige Umsetzungen wie die Assimilation der Pflanzen zu studieren. Technisch braucht man dafür ein spezielles Massenspektrometer, mit dem die Zusammensetzung der stabilen Isotope sehr genau gemessen werden kann. Das Forschungsgebiet erweiterte sich in der Folge auf andere Lebenselemente, wie den Sauerstoff (mit dem Isotop 18O, Isotopenhydrologie) und auf den Wasserstoff (mit den Isotopen Tritium und Deuterium; Wasserkreislauf). Als sehr fruchtbar stellte sich auch die Kombination von Physik und Dendrochronologie, einem Zweig der Botanik, heraus. Die Dendrochronologie benutzt die Tatsache, dass man an den Jahresringen von Bäumen (Baumringe) das Alter von Holz einfach abzählen kann. Mit klimabedingten markanten Abfolgen der Breite der Ringe verknüpft man dann verschieden alte Bäume, die sich im Alter überlappen. Man erhält so eine Chronologie, die eine auf das Jahr genaue Datierung liefert. Es ist schwierig, diesen Kalender über grössere Entfernung hinweg zu synchronisieren, was aber wiederum für die 14C-Datierung kein Problem ist. Ungewiss war nur, ob das auch über globale Distanz funktioniert; der Versuch, dem nachzugehen, lieferte jedoch in der Tat neue, globale Informationen. Ausser zum Zwecke der Altersbestimmung haben Radiotracer eine grosse Bedeutung bei der Untersuchung der atmosphärischen Dynamik (Atmosphäre), insbesondere der meridionalen Mischung von Luftmassen, und des Gasaustausches zwischen den Systemen Ozean und Atmosphäre.

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bottom:.0001pt\'>Luftchemie

bottom:.0001pt\'>Historisch hat die Umweltphysik viele Überraschungen über das Lebenselement Luft geliefert, etwa, dass die Luft viele kleine Teilchen (Aerosole) enthält, die der Schwerkraft nicht mehr folgen und nicht herunterfallen. Die atmosphärischen Aerosole entstehen überwiegend durch chemische Reaktionen. Stoffe, die in der Luft atomar entstehen und nicht gerade gasförmig sind, stossen bald auf das Aerosol und bleiben daran kleben. Aerosolpartikel kann man nun nicht durch ein einfaches Filter aus der Luft herausholen, weil die Löcher zu gross sind. Wenn diese Teilchen aber um ein äusserst dünnes Hindernis (man hat dafür ursprünglich in ein Papierfilter eingelagerte Asbestfasern verwendet) herum strömen sollen, sind sie zu träge, um wie die Moleküle rechtzeitig »die Kurve zu kriegen«. Sie stossen also auf die Faser und bleiben kleben. Das atmosphärische Aerosol ist radioaktiv, weil das Edelgas Radon, das überall aus dem Erdboden kommt, in der Luft radioaktiv zerfällt. Sein Tochterprodukt ist aber kein Gas und lagert sich deshalb rasch an das Aerosol an. Wenn man also Luft durch ein Aerosolfilter saugt, bleiben die radioaktiven Luftteilchen darin hängen, und man kann sie dann leicht messen. Auf diese Weise wird auch die in Kernwaffentests oder bei Unfällen wie in Tschernobyl freigesetzte Radioaktivität gemessen.

bottom:.0001pt\'>Ein besonders wichtiges Kapitel der Luftchemie ist heute das stratosphärische Ozon und sein Abbau an den Polkappen. Die dafür verantwortlichen reaktiven Spurengase wie NO2 und BrO misst die Luftchemie spektroskopisch (differenzielle optische Absorptionsspektroskopie, DOAS). Das geschieht vom Boden, von Flugzeugen, von Stratosphärenballons oder von Satelliten aus. Die Intensität des Luftaustausches zwischen Troposphäre und Stratosphäre in mittlerer und in hoher geographischer Breite über den Polkappen bestimmt man dabei über die seltenen Isotope von Wasserdampf und CO2. Freie Radikale wie OH, NO2 und BrO wandeln Stickoxide in Nitrat um, NO3-Radikale reagieren mit organischen Verbindungen. Untersucht wird auch die Bildung von salpetriger Säure und der Abbau von aromatischen Kohlenwasserstoffen. Analysiert wird ferner die episodische Zerstörung des bodennahen Ozons (polares troposphärisches Ozonloch). (Essay Atmosphäre)

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bottom:.0001pt\'>Kohlenstoff und Radiokohlenstoffdatierung

bottom:.0001pt\'>Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff spielen die zentrale Rolle für das Leben, deshalb untersucht die Umweltphysik die isotopische Signatur der entsprechenden atmosphärischen Gase, zum Beispiel durch Langzeitmessung an sog. Reinluftstationen in aller Welt, aber auch in kontinentalen Quellgebieten wie Europa oder Kanada. Rechenmodelle für den atmosphärischen Transport versuchen, eine Bilanz für die Gase (CO2, N2O oder CH4), die zum anthropogenen Treibhauseffekt beitragen, zu ziehen. Die Modelle werden geprüft und mit solchen Tracern geeicht, bei denen man ausser der Konzentrationsverteilung auch die Quellen und Senken kennt, wozu speziell die radioaktiven Edelgase 222Radon, 85Krypton aus der Kernbrennstoff-Wiederaufarbeitung und auch Schwefelhexafluorid SF6 gehören.

bottom:.0001pt\'>Die 14C-Datierung (Radiokarbonmethode) ist die Keimzelle der Umweltphysik, und es zeigt sich heute, wie wechselseitige Befruchtung eine absolute Zeitskala bis weit in die letzte Eiszeit hinein liefert. Insgesamt liefert der Radiokohlenstoff Informationen so verschiedener Art, wie etwa über die langfristige Umwälzung des Welt-Ozeans, die neuen Grabungsbefunde im sagenhaften Troja oder über die atmosphärische Dynamik. Die winterliche Heizung mit Kohle oder Erdöl (beide enthalten wegen des hohen Alters keinen Radiokohlenstoff mehr) und v.a. die Industrie verdünnen in der Nordhalbkugel den Radiokohlenstoff. Die Verdünnung mit dem »toten« Kohlenstoff betrug schon zur Jahrhundertwende im Norden etwa zwei Prozent, und aus dem Nord-Süd-Unterschied ergab sich nun eine erste Zahl für die Geschwindigkeit der meridionalen Mischung der Atmosphäre. Schliesslich brachten dann um das Jahr 1962 die grossen Kernwaffentests die natürlichen Radionuklide wie das 14C mit einer hundertmal grösseren Produktion als die kosmische Strahlung es liefert völlig durcheinander. Die Umweltphysik hat aber inzwischen Rüstzeug und Erfahrung gewonnen, um auch daraus Information zu gewinnen, wie z.B. für Aussagen über den Gasaustausch zwischen Ozean und Atmosphäre.

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bottom:.0001pt\'>Wasser- und Gas-Haushalt im Boden

bottom:.0001pt\'>Der mit Wasser nicht gesättigte Boden auf dem Festland ist ein wichtiges Bindeglied im Stoffkreislauf, insbesondere beim Kohlenstoff und beim Stickstoff. Im Boden werden CO2, Methan und Stickoxide umgesetzt, und mit Hilfe des schon erwähnten Edelgases Radon kann man hier unterscheiden zwischen dem Transport organischer Substanz nach unten und Adsorption, Verlagerung und Wiederfreigabe von Spurenmetallen (etwa der Radionuklide 137Cs oder 210Pb). Die Bewegung des Bodenwassers selber wird an den in Spuren natürlich vorhandenen Isotopen Deuterium und Sauerstoff-18 sichtbar, denn die haben einen Jahresgang, und man kann sehen wie sich diese Signatur abwärts bewegt (Bodenwasserbewegung, Potentialkonzept der). Mit künstlich eingebrachten Tracern (punktförmig mit einer Art Injektionsspritze eingebrachtes Tritium – die sehr kleine Menge verschwindet nach kurzer Zeit durch Diffusion spurlos – oder mit flächenhaft wie Kunstdünger aufgebrachtem Ammoniumbromid) kann man diese Bodenwasserbewegung sichtbar machen und sieht, wie sich die Bodenfeuchte langsam (Geschwindigkeit zum Beispiel etwa ein Meter im Jahr) nach unten verlagert und schliesslich den Grundwasserspiegel erreicht.

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bottom:.0001pt\'>Datierung von Grundwasser

bottom:.0001pt\'>Das flache Grundwasser, aus dem die allgemeine Wasserversorgung gewöhnlich gedeckt wird, konnte ursprünglich einmal mit Tritium (Halbwertszeit etwa zehn Jahre), das bei der Zerschlagung von Atomkernen (Spallation) durch die kosmische Strahlung entsteht, als radioaktiver Uhr datiert werden. Auch für dieses Nuklid haben die Kernwaffentests das natürliche Inventar stark erhöht, und man konnte nun dieses »Bomben-Tritium« einfach als einen zu einem bestimmten Zeitpunkt eingebrachten Farbstoff auffassen. Inzwischen aber ist dieses Tritium wegen seiner relativ kurzen Lebensdauer zum grossen Teil wieder verschwunden, und man nähert sich wieder dem Naturzustand. Zunächst hatte man das Tritium in einem Zählrohr gemessen. Dafür musste man aber das Tritium, das mit normalem Wasserstoff sehr stark verdünnt ist, erst einmal isotopisch anreichern, d.h. die Radioaktivität, die in sehr grosser Verdünnung vorkam, entweder durch Elektrolyse des Wasser – wobei die schweren Isotope zurückbleiben – oder auch mit einem Trennrohr (Clusius-Dickel-Verfahren) anreichern. Einen Durchbruch brachte eine völlig andere Technik: Beim radioaktiven Zerfall verwandelt sich das Tritium nämlich in Helium der Masse 3, und das kann man in einem speziellen Massenspektrometer ausserordentlich genau messen. Man muss die Wasserprobe nur eine Weile gasdicht lagern und das durch die radioaktive Umwandlung gebildete Helium herausholen. Der grosse Vorteil dabei ist, dass man jetzt nicht mehr sehr geringe Radioaktivität messen und mit der Zählstatistik kämpfen muss; man zählt einfach so lange, wie man die Probe gasdicht eingesperrt hat.

bottom:.0001pt\'>Fossiles Grundwasser, dessen bekanntestes Vorkommen unter der Sahara ist, kann man gut mit Radiokohlenstoff datieren. Das überrascht, denn man sollte meinen, dass das in einem kalkhaltigen Grundwasserleiter (Aquifer) nicht funktioniert. Historisch war das erst auch die Meinung. Es zeigte sich aber, dass selbst in einem Kalk-Aquifer der Radiokohlenstoff sich nur mit den obersten Atomlagen austauscht, dann ist der Aquifer passiviert, da die Diffusion im Festkörper sehr langsam ist. Eine Studie in der Grube Konrad (Salzgitter) ergab oben einen normalen 14C-Gehalt im Wasser, in der Tiefe aber war das Wasser praktisch 14C-frei. Der Geologe Roland Brinkmann empfahl deshalb eine Studie der Oasenwässer der ägyptischen Sahara. Die Oasenwässer sind etwa 5 000 Jahre alt und stammen aus der damaligen Feuchtphase. Das flache Grundwasser ist seitdem in die Oasen ausgelaufen, und der Spiegel liegt inzwischen so tief, dass es für die dortigen Verhältnisse zu teuer ist, das Wasser landwirtschaftlich zu nutzen. Zu dem Alter dieser Wässer passen sowohl der Gehalt des Wassers an den schweren Isotopen Deuterium und 18O wie auch die Edelgas-Paläotemperatur (ist die Temperatur gering, dann lösen sich die schweren Edelgase der Luft besser im Sickerwasser, welches dann schliesslich zu Grundwasser wird). Auch in West- und Mitteleuropa erkennt man tiefes Grundwasser aus der Eiszeit daran, dass seine Edelgastemperatur niedriger ist als beim heutigen Grundwasser.

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bottom:.0001pt\'>Kryosphäre

bottom:.0001pt\'>Die dauernd mit Eis bedeckten Gebiete der Hochalpen, Zentralgrönlands und der Antarktis bestimmen das langfristige Klimageschehen wirksam (Schwankungen des Meeresspiegels). Die Gletscher als Teilstück des Wasserkreislaufs enthalten daneben recht unverfälschte Information über die Luftchemie und das Klima der Vergangenheit (Paläoklimatologie). An Eisbohrkernen aus dem zentralen Grönland, aber auch aus sehr hoch gelegenen Gletschern in den Alpen (der Gletscher darf selbst im Sommer kein Schmelzwasser führen), kann man die vom Menschen bewirkte Veränderung des Luftstaubes rekonstruieren. Dabei liefert die gelegentliche Ablagerung von Staub aus der Sahara wichtige Zeitmarken. Ähnliche Studien in der Antarktis dokumentieren hingegen die natürlichen Veränderungen (Klimaveränderungen). Eine Grundlage für die richtige Interpretation der Bohrkerndaten liefert eine Langzeit-Untersuchung der chemischen und isotopischen Zusammensetzung von Luftstaub. Man braucht am Prozess orientierte Untersuchungen darüber, wie die Spurenstoffe aus der Luft in den Schnee gelangen und wie dessen isotopische Markierung entsteht. Messtechnisch verwendet man hier Atom-Absorptionsspektroskopie, Neutronenaktivierungsanalyse, Röntgenfluoreszenzanalyse, Ionenaustauschchromatographie (Chromatographie), opto-elektrische Grössenspektroskopie der Mikropartikel, Radiometrie (a- bzw. g-Spektroskopie, Beschleuniger-Massenspektrometrie, low-level b-Zählung) und die Massenspektromterie (Massenspektrometer) der Zusammensetzung der stabilen Isotope. Solche Untersuchungen erfordern zum Teil eine ausgefeilte Reinraum-Technik.

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bottom:.0001pt\'>Ozean

bottom:.0001pt\'>Ein frühes (1970) Ergebnis der Umweltphysik im Rahmen des Programms GEOSECS (Geochemical Ocean Section Study, Ozeanographie) war die Erkenntnis, dass die warme Oberflächenschicht des Ozeans streng vom kalten Wasser darunter getrennt ist. Damals war das aus den Kernwaffentests stammende Tritium praktisch noch auf diese alleroberste Wasserschicht beschränkt, ein Umstand, über den die Ozeanographen erstaunt waren. Später setzte die Umweltphysik auch im Ozean viele andere Spurenstoffe ein (3He, 4He, 14C, 18O) und schliesslich auch SF6, ein rein chemischer Tracer, der durch seinen wachsenden Einsatz als Isoliermittel in der Hochspannungstechnik charakterisiert ist. Wie in vielen anderen umweltphysikalischen Anwendungen arbeitet man dabei entweder mit einer »radioaktiven Uhr« oder man nutzt einfach den Umstand, dass ein bestimmter Stoff erst zu einem gewissen Zeitpunkt oder mit bekannter zeitlich ansteigender Intensität in die Umwelt gelangte. Eines der Probleme, die untersucht wurden, ist die Veränderung der Strömungsmuster, die vermutlich mit einer Änderung der meridionalen Verteilung des Luftdrucks zusammenhängen. Es gibt Indizien dafür, dass sich die grossräumige Konvektion im Ozean aus klimatischen Gründen langsam verändert, und das hat natürlich selber klimatische Auswirkungen. Mit ihrer Tracertechnik untersucht die Umweltphysik auch Austritte von Fluiden aus dem Meeresboden in bestimmten Weltgegenden.

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bottom:.0001pt\'>Geochemie

bottom:.0001pt\'>Wichtige physikalisch-chemische Vorgänge laufen v.a. am Boden des Ozeans und im Sediment ab, und zwangsläufig hat sich die Umweltphysik auch dieses Gebiet zum Thema gemacht. Es handelt sich dabei um sehr langsam ablaufende Prozesse, die entsprechenden Tracer und Uhren sind deshalb zum Beispiel das 230Thorium mit einer Halbwertszeit von 75 000 Jahren (aus der natürlichen Uran-Zerfallsreihe, Uranreihendatierung) und das von der kosmischen Strahlung in der Atmosphäre erzeugte Spallationsbruchstück 10Be (1,5 Millionen Jahre Halbwertszeit). Das Thorium wird mit einem hochauflösenden Festkörper-Massenspektrometer gemessen, das Beryllium an einem Teilchenbeschleuniger. Die Methode überdeckt einen Zeitbereich zwischen etwa 1 000 und 350 000 Jahren. Untersucht wird die Schwankung des Meeresspiegels und der Temperaturverlauf in der Vergangenheit. Eine andere Technik ist die Elektronenspinresonanz, mit der Kalkausscheidungen (Foraminiferen in Tiefseesedimenten, Travertine) untersucht werden. Man misst dabei Strahlenschäden, die die natürliche Radioaktivität im Laufe der Zeit in Kalkproben erzeugt hat. Junge Sedimente, etwa im Bodensee, werden über das 210Blei (22 Jahre Halbwertszeit), einer Tochter des atmosphärischen 222Radon, und mit 137Caesium, einem Produkt der Kernwaffentests, datiert. Aber auch der Mechanismus der Anlagerung, der die Sedimentpartikel markiert, wird untersucht.

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bottom:.0001pt\'>Binnenseen

bottom:.0001pt\'>Genau wie im Ozean finden die natürlichen und künstlichen Spurenstoffe auch Anwendung in grossen Binnenseen wie etwa dem Bodensee. Die Tracer haben zum Verständnis der inneren Schwingungen des Sees wesentlich beigetragen. Im Sommer »schwimmt« nämlich das warme Oberflächenwasser auf dem kalten Tiefenwasser. Der Wind treibt dann das warme Wasser auf die eine Seite, eine sehr kleine Menge des schon erwähnten völlig inerten Gastracers SF6 zeigte hier deutlich, wie die Schwingung (Schwingungsdauer etwa eine Woche) abläuft. Ähnliche Untersuchungen betreffen auch die Tagebau-Restseen der Braunkohle-Gewinnung.

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bottom:.0001pt\'>Gasaustausch, Wellen, Turbulenz

bottom:.0001pt\'>Lange Zeit wusste man nicht, wie schnell atmosphärische Gase zwischen Luft und Wasser ausgetauscht werden. Zwar hat Christian Bohr, Physiologe und Vater des berühmten Physikers Niels Bohr, in Kopenhagen schon Ende des vorigen Jahrhunderts Experimente zum Austausch von CO2 zwischen Luft und Wasser gemacht, weil er den Gasaustausch mit dem Blut studieren wollte. Was dann aber zur Frage des Gastransfers nachfolgte, waren nur wilde Spekulationen. In Heidelberg wird jetzt das Experiment von Bohr wiederholt, und es zeigt sich, dass man seine Zahlenwerte eigentlich gar nicht auf das System Atmosphäre-Ozean anwenden darf, weil der Ozean vom Wind in ganz anderer Weise »gerührt« wird. Der Wind greift nämlich tangential an der Ozeanoberfläche an (Windstress), was viel wirksamer ist als Umrühren: Der Gastransfer ist dadurch behindert, dass der Transport nur im Inneren der Flüssigkeit durch Wirbel erfolgen kann, die Wirbel aber in die andere Phase nicht übergreifen können, und deshalb erfolgt der Transport unmittelbar an der Grenzfläche durch sehr langsame molekulare Diffusion. Die molekulare Diffusionskonstante ist im Wasser um Grössenordnungen kleiner als in der Luft, damit liegt der »Flaschenhals« in der Flüssigkeit. Diese Grenzschicht ist je nach Windstress zwischen einem Millimeter und einigen zehn Mikrometern dick. Daraus kann man leicht die Transfergeschwindigkeit (das ist die Geschwindigkeit eines fiktiven Kolbens, der das Spurengas durch die Wasseroberfläche »schiebt«) ausrechnen, die danach bis zu einigen Metern pro Jahr beträgt.

bottom:.0001pt\'>Allgemein wurde der Gasaustausch zunächst in einem sehr kleinen (etwa ein Meter Durchmesser), mittlerweile aber in beachtlich grossen, Wind-Wasser-Experimentierkanälen (zehn Meter Durchmesser) untersucht. Das ist immer eine kreisförmige, mit Wasser gefüllte Rinne mit einer Tiefe von etwa einem Meter. Der Wind wird durch einen umlaufenden Reifen mit Schaufeln erzeugt. Es ist erstaunlich, wie gut es gelingt, selbst mit den anfangs sehr kleinen Installationen die Natur nachzuahmen. Ein bei Beginn der Experimente aufgetretener Artefakt wird verblüffend einfach ausgeschaltet: Auf dem Wasser (auch in der Natur) bilden sich nämlich sog. slicks, also Bereiche, die keine Kapillarwellen mit kurzer Wellenlänge tragen. Man kann das auf jedem stehenden Gewässer beobachten, denn es gibt da immer Streifen mit Kapillarwellen, die mit slicks abwechseln. Vertikale Zirkulation (Langmuir-Zellen) spült diesen durch biologische Aktivitäten in den oberen Metern des Ozeans erzeugten Film fort, und auch da, wo an der Oberfläche Divergenz herrscht, wird der biologische Film entfernt. Im Kanal muss man ihn durch Absaugen über eine flache Rinne entfernen. Dann erreicht man leicht sehr hohe Raten des Gasaustauschs.

bottom:.0001pt\'>Es ist durchaus verblüffend zu sehen, wie die intensive wissenschaftliche Erkundung des Gasaustausches auch zu wichtigen anderen Forschungsergebnissen geführt hat, besonders in der digitalen Bildverarbeitung. Zunächst stand die Fachwelt dieser neuen Sparte der Umweltphysik verständnislos gegenüber – kein ungewöhnlicher Vorgang in der Wissenschaftsgeschichte: Sehr oft begegnen »die Fachleute« den »Aussenseitern« erst einmal mit Ablehnung.

 

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